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Rede auf dem Deutschen Anwaltstag 2007 in Mannheim

 

Schlosserei und Kanzlei, neue Formen der beruflichen Zusammenarbeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen heute von einer erfolgreichen
Unternehmensgründung berichten - von einem kleinen Familienunternehmen, das in den letzten Jahren kräftig expandiert ist und dessen Hauptgesellschafter ein Schlosser und eine Rechtsanwältin sind. Die Zusammenarbeit der Gesellschafter, von denen hier die Rede ist, begann bereits während des Referendariats der angehenden Rechtsanwältin. Es hat noch keiner Übungsklausur geschadet, wenn der Sachverhalt zunächst einmal aus der Sicht des Schlossers auf Praxisrelevanz im wirklichen Leben überprüft wird. Oder wollten Sie nicht auch immer schon mal wissen, was eine Kurbelwelle wirklich ist und was diese von einer Nockenwelle unterscheidet?
Wer heutzutage allen Ernstes in einer Ölwanne badet und wie man einen
Kolbenfresser füttert? Nur in Teamarbeit läßt sich die Bedeutung der zahlreichen Simmerringe im Sachverhalt ergründen. Das anschließende Rechtsgespräch verlief in der Regel weniger einvernehmlich. Beim Gutachtenaufbau schon beginnen die Differenzen. Wo die Juristin sich fragt, ob ein Tatbestand erfüllt ist, fragt der Schlosser in der Stufe vorher bereits schon nach der Beweisbarkeit. Beim Aufbau eines Gutachtens stehen sich die Ansichten von Alpmann-Schmidts denen der Schrauberszene unversöhnlich gegenüber: warum soll etwas, das nicht beweisbar ist darauf untersucht werden, ob es einen Tatbestand erfüllt?

Man beginnt an dieser Stelle zu ahnen, warum sich nach Durchsicht der Akten oft ergibt: der Täter ist wieder der Schlosser! Das junge Unternehmen überstand diese erste Phase mit Bravour, indem die Gesellschafter sich zu einer klaren Arbeitsteilung entschieden. Der Schlosser hielt den Fuhrpark instand, erweiterte und erneuerte beständig Räumlichkeiten des Unternehmens und versorgte die nachwachsenden Gesellschafter, während die Anwältin sich der Rechtsberatung widmetet. Eine Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht - sprach einst zur Referendarin: „ Mein Gott - Ihr Partner ist Schlosser - was ein Glück! Stellen Sie sich vor: mein Mann ist Philosoph! Wir können selbst gemeinsam nicht einmal ein Bild an die Wand nageln.!"
Die Fruchtbarkeit dieser interdisziplinären Zusammenarbeit zeigte sich ganz besonders in dem Moment, als die erste Firmenfiliale zwecks Auslagerung der Rechtsberatung gebaut werden mußte. Der Schlosser ging 14 Tage lang intensiv ans Werk: riss Wände ein, baute neue Wände auf, installierte Heizkörper, Sanitäranlagen, verlegte Fliesen, Stromanschlüsse und Teppiche, während die Rechtsanwältin trotz des Störfeuers zweier plärrender und kreischender Mitgesellschafter tagelang versuchte, die Hotline der Telekom zu überlisten und die rätselhaften Wege zu einem ISDN Anschluß und einer Telefonanlage zu ergründen.
Die im § 230 HGB erwähnten Stillen Gesellschafter wären in diesem Moment deutlich konstruktiver gewesen. Wenn es dann in der beruflichen Praxis um Mandantenaquise geht ist ein Schlosser besonders für angehende Verkehrsrechtler oder Strafverteidiger geradezu unersetzlich. Er kennt sie alle: den schlauen Schrauber, den kleinkriminellen Bastler, den Schrotthändler mit der Hosentasche voll Bargeld, und natürlich auch den örtlichen Abschleppunternehmer, der stets als erster am Ort des Geschehens eintrifft. Sie kennen sich, sie vertrauen sich (mehr oder weniger), sie verkaufen sich untereinander Fahrzeuge (oder das was davon übrig ist) und sie sprechen die gleiche Sprache, wenn sie stundenlange Benzingespräche führen.
Halt! - denken jetzt vielleicht einige von Ihnen. Wie ist das denn mit der
Schweigepflicht gegenüber dem Partner?
Die Antwort darauf führt gleich zu der weiteren Frage, wie der Schlosser nun
Kanzleimitarbeiter wird und welche steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen es nach sich zieht, wenn er es nicht wird. In den klassischen Rechtsanwalt - Hausfrau - Fällen übernimmt idR letztere die Buchführung der Kanzlei oder arbeitet als Sekretärin mit und der Nachwuchs ist auf diese Art und Weise zum Minibeitrag gesetzlich krankenversichert. Natürlich nur, solange der Existenzgründer nicht über der Beitragsbemessungsgrenze verdient.
Nun ist es aber tatsächlich wenig praktikabel einen Schlosser als Bürokraft
einzustellen und auch gegenüber dem Finanzamt nur schwer plausibel zu machen, es sei denn, die Kanzleiräume rechtfertigen von Anfang an einen Hausmeister.
Schmiedet der Schlosser daher überwiegend an Plänen für die Zukunft, bleibt von Anfang an nur die freiwillige gesetzliche Versicherung, um alle Mitgesellschafter gesundheitlich abzusichern. Jeder noch so motivierte Vertreter der privaten Versicherungswirtschaft beendet fluchtartig das Gespräch, wenn er damit konfrontiert wird, eine fünfköpfige Gesellschaft unter Vertrag zu nehmen!
Die fehlende Anstellung in der Kanzlei führt als nächstes auch zu steuerlichen
Nachteilen. Denn: wäre der Schlosser Arbeitnehmer der Kanzlei könnte nicht nur sein eigenes Einkommen als Betriebsausgabe, sondern auch die Fremdbetreuung des Nachwuchses steuerlich abgesetzt werden. Da Buchführung nun nicht gerade die Stärke des Schlossers ausmachen und er die Gesellschaft lieber durch handwerkliche Arbeiten unterstützt, ist weder seine eigene Betreuungsleistung steuerlich relevant, noch können Kindergartenkosten in Abzug gebracht werden.
Im Vergleich zur klassischen Variante bleibt sowohl das Gesamteinkommen des Familienunternehmens als auch der Betreuungsaufwand insgesamt identisch. Nur die Kindergartenkosten sind einmal steuerlich absetzbar und einmal nicht.
An dieser Stelle muß der Ruf nach dem Gesetzgeber laut werden: nur wo
Kinderbetreungskosten uneingeschränkt geltend gemacht werden können - oder besser noch: gar nicht mehr anfallen - besteht tatsächlich Wahlfreiheit zwischen Fremd- und Eigenbetreuung!
Als seines Glückes Schmied ist der Schlosser nicht einmal Riesterfähig.... macht bei einer fünfköpfigen Gesellschaft einen jährlichen Zulagenverlust von knapp 1000 Euro.
Bleibt am Ende noch die scheinbar einfache Übertragung der Kindererziehungszeiten von der Rechtsanwältin auf den erziehenden Schlosser. Wer schon einmal ein Familienunternehmen gegründet hat kennt vielleicht noch das freundliche Begrüßungsschreiben der BfA, in dem mitgeteilt wird, dass Kindererziehungszeiten von Gesetzes wegen erst einmal bei der Mutter berücksichtigt werden - eine Umschreibung auf den Vater allerdings jederzeit möglich sei und der entsprechende Antrag bei der Gemeinde gestellt werden könne.
Eine erste Anfrage ergab, daß dort weder Antragsformulare vorhanden seien, noch wüßte man überhaupt von einem solchen Verfahren.
Die für den Schlosser seinerzeit noch zuständige LVA reagierte am Telefon
ähnlich. So etwas habe es doch noch nie gegeben - da müßte erst einmal ein
gemeinsames Gespräch geführt und der Sachverhalt überprüft werden. Gesagt getan: es erfolgte ein ernsthaftes Prüfungsgespräch durch zwei Sachbearbeiter der LVA, in dem geklärt werden sollte, ob die Rechtsanwältin nicht vielleicht doch zwischendurch einmal Mittagessen kocht oder Wäsche wäscht!
Auf Nachfrage, ob eine solche Inquisition in vergleichbaren Fällen üblich sei, erfolgte die Mitteilung, daß es noch nie vergleichbare Fälle gegeben habe....
Mein Damen und Herren, man mag es kaum glauben, daß eine solche Zusammenarbeit von Schlosser und Rechtsanwältin derart neu und ungewöhnlich sein soll - so ungewöhnlich, dass sie zum Thema des Rednerwettstreits auf dem diesjährigen Anwaltstag geworden ist.
Heute besteht das Unternehmen neben den beiden Hauptgesellschaftern, aus insgesamt drei Nachwuchsgesellschaftern (nach wie vor keine stillen
Gesellschafter) und zwei Kanzleimitarbeiterinnen. Die Zusammenarbeit zwischen den Büromitarbeiterinnen und dem Schlosser funktioniert reibungslos. Mal teilen die einen Ihr Büromaterial mit den Nachwuchsgesellschaftern - mal löst der andere technische oder handwerkliche Probleme im Büroalltag.
Ob diese Modell ein Ausreißer oder ein Trendsetter ist: die Zukunft wird es zeigen. Ich wünsche allen Existenzgründern in diesem Bereich viel Kraft, starke Nerven und Kreativität - denn die werden sie brauchen!

Meine Damen und Herren - ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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