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16.06.20 –
Liebe Freundinnen und Freunde!
Sexueller Missbrauch von Kindern ist mir im Leben an so vielen Stellen immer wieder begegnet, dass mir das Thema fast schon als fester Begleiter vorkommt, den ich mir nie ausgesucht habe: Von mir nahestehenden Menschen in meinem Alter, die es in den 70er und 80er Jahren getroffen hat, über die MandantInnen, die mich in meine 10jährigen Anwaltspraxis aufgesucht haben, bis zu meiner rechtspolitischen Arbeit seit 2013, die mit dem Skandal um meinen Wahlkreiskollegen Edathy begann und seither von einer Sexualstrafrechtsreform zur nächsten führte.
(...)
Ich bin inzwischen immer weniger bereit, mich diesem Ruf nach härteren Strafen zu fügen. Es macht mich zunehmend wütend zu sehen, wer sich da alles anlässlich grausamster Taten politisch profilieren darf. Was uns umtreiben sollte, sind in Wirklichkeit immer noch die Urteile, die nicht gefällt und Fälle, in denen nie ermittelt wurde, weil wir sie nicht gesehen haben.
Missbrauch findet überall statt – nicht nur in Stauffen, in Lügde oder Münster, sondern oft in unserer eigenen Umgebung und viel näher, als viele sich vorstellen können. Der laute Schrei nach Strafverschärfung übertönt am Ende nur den stillen Schrei der Kinder, die verzweifelt versuchen, uns Signale zu senden, die wir nicht erkennen oder nicht erkennen wollen, weil wir gar nicht wüssten wie wir darauf reagieren sollten.
Hören wir also bitte endlich auf mit diesem würdelosen Ritual und kümmern wir uns endlich um die Kinder!
Wir müssen Wege finden und lernen, wie wir im Falle eines Verdachtes diesem nachgehen können, ohne uns oder andere in eine gefährliche Eskalation zu begeben. Vor allem JugendamtsmitarbeiterInnen und PädagogInnen müssen in dieser Hinsicht besser geschult und vorbereitet werden, aber letztlich stehen wir alle in der Verantwortung.
Wir müssen Richterinnen und Richter mit den fachfremden Grundkenntnissen ausstatten, die sie in diesem Bereich brauchen, bevor sie von heute auf morgen ein Familiendezernat übernehmen.
Und wir müssen in die Ermittlungsbehörden investieren. Gerade Münster hat gezeigt, dass eine Aufstockung der entsprechenden Abteilungen Erfolg gebracht und am Ende Kinder gerettet hat.
Je eher desto besser, denn jeder Tag, den ein Kind derart gequält wird, ist ein Tag zu viel.
Darauf sollten wir jetzt unsere ganze Kraft konzentrieren und sie nicht mit kontraproduktiven Debatten um Strafverschärfungen vergeuden.
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